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Urteil Verwaltungsgericht (LU - V 98 70)

Zusammenfassung des Urteils V 98 70: Verwaltungsgericht

Gemäss § 12 Abs. 2 PBV werden Verkehrsflächen bei der Ermittlung der Ausnützungsziffer voll angerechnet, sofern sie Bestandteil des Baugrundstücks sind. Die Zufahrtsstrasse Nr. X wurde jedoch als eigenes Grundstück ausgeschieden, weshalb sie nicht voll anrechenbar ist. Die Argumentation der Vorinstanz bezüglich einer möglichen Anrechnung der Strasse als Wohnstrasse wird aufgrund fehlender Signalisation und anderer Kriterien nicht akzeptiert. Die parzellenübergreifende Erschliessungsstrasse fällt somit nicht unter § 12 Abs. 2 PBV.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts V 98 70

Kanton:LU
Fallnummer:V 98 70
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsrechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid V 98 70 vom 02.12.1998 (LU)
Datum:02.12.1998
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:§ 12 PBV. Einbezug von Verkehrsflächen als anrechenbare Grundstücksflächen bei der Ermittlung der Ausnützungsziffer.
Schlagwörter: Wohnstrasse; Grundstück; Fläche; Erschliessung; Strasse; Grundstücksfläche; Ausnützung; Sinne; Ausnützungsziffer; Parzelle; Verkehrsfläche; Vorinstanz; Begriffs; Bestandteil; Zufahrtsstrasse; Weisungen; Wegfahrten; Ermittlung; Durchgangsverkehr; Verkehrsflächen; Regelung; Absatz; «Wohnstrasse»; Ausnützungszifferberechnung; Erlass; Auslegung; Verordnungsgeber; Signal
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts V 98 70

Aus den Erwägungen:

3. - (. . .)

a) Gemäss § 12 Abs. 2 PBV werden die für die Erschliessung notwendigen Zuund Wegfahrten, die Wohnstrassen, die Fusswege und die offenen Pflichtabstellflächen für Fahrzeuge bei der Ermittlung der anrechenbaren Grundstücksfläche vollumfänglich angerechnet. Die Vorinstanz betrachtet die als eigenes Grundstück Nr. X ausgeschiedene Strasse als eine Sackgasse ohne Durchgangsverkehr. Sie diene der Erschliessung des ganzen Quartiers, weshalb sie als Wohnstrasse im Sinne von § 12 Abs. 2 PBV qualifiziert werden könne.

b) Der angefochtene Entscheid greift damit die Problematik der Anrechnung von Verkehrsflächen bei der Ermittlung der Ausnützungsziffer auf. Die Lösung des luzernischen Verordnungsgebers sieht diesbezüglich - im Gegensatz zu anderen kantonalen Erlassen (vgl. dazu Huber, Die Ausnützungsziffer, Diss. Zürich 1986, S. 74 ff.) - eine grosszügigere Regelung vor. Er übernahm in § 12 PBV grundsätzlich die Regelung der anrechenbaren Grundstücksfläche, welche bereits § 4 der Vollzugsverordnung zum Baugesetz des Kantons Luzern vom 21. Dezember 1970 und dessen Änderung vom 22. April 1986 kannte. Einzig der obgenannte Absatz 2 wurde neu eingefügt. Bevor der Sinn und Zweck dieses Absatzes (lit. bb) und insbesondere der Inhalt des Begriffs einer «Wohnstrasse» zu ermitteln ist (lit. cc), erscheint es angebracht, vorab die Systematik der Anrechenbarkeit von Grundstücksflächen nach § 12 PBV kurz zu beleuchten (lit. aa).

aa) Gemäss § 12 Abs. 1 PBV gilt als anrechenbare Grundstücksfläche die vermessene Fläche der Parzelle in einer Bauzone, ohne bestehende in einem genehmigten Bebauungs-, Gestaltungs-, Landumlegungs-, Strassen-, Baulinienplan Strassenprojekt vorgesehene Fahrbahnund Trottoirflächen (lit. a). Dieser Grundsatz wird dahingehend gelockert, dass nach Abs. 3 dieser Bestimmung eine beschränkte Fläche angerechnet werden darf, soweit sie 10 % der vermessenen Fläche nicht übersteigt. Der Sinn dieser Vorschrift liegt darin, den Bodenerwerb für Strassenbauzwecke zu erleichtern. So wird ein Anstösser die Abtretung eher hinnehmen, wenn er weiss, dass er die davon betroffene Fläche zumindest in einem bestimmten Umfang dennoch in die Ausnützungszifferberechnung der ihm verbleibenden Parzellenfläche einbeziehen kann. Im Gegenzug kann der Träger eines Strassenbauvorhabens damit rechnen, dass sich die Realisierung dieses Projektes aufgrund der gesteigerten Akzeptanz rascher verwirklichen und das betroffene Land wohl meist auch günstiger erwerben lässt (Urteil H. vom 17.12.1997; vgl. LGVE 1985 II Nr. 5; schliesslich zum Ganzen auch Huber, a. a. O., S. 77).

bb) Mit Erlass der PBV schuf der Regierungsrat neu den bereits zitierten § 12 Abs. 2 PBV. Dieser Absatz enthält eine Einschränkung zu § 12 Abs. 1 lit. a und b PBV, indem bestimmte Flächen - im Gegensatz zu § 12 Abs. 3 PBV - voll und nicht nur zu 10 % angerechnet werden können. Diese Privilegierung ist aber dem Einleitungssatz von § 12 Abs. 1 PBV unterstellt, der in grundsätzlicher Weise als anrechenbare Grundstücksfläche die vermessene Fläche der Parzelle in einer Bauzone definiert. Deshalb sind die in § 12 Abs. 2 PBV abschliessend aufgezählten Flächen nur dann voll anrechenbar, wenn sie nach wie vor Bestandteil des Baugrundstücks sind. Diese sich aus dem Wortlaut wie aus der Systematik von § 12 PBV ergebende Sichtweise findet ihre Bestätigung in den Skizzen des Baudepartementes zur Erläuterung des PBG und der PBV (Beilage zu SRL Nrn. 735 und 736, Ausgabe 1.1.1996). Demnach sind unter notwendigen Zuund Wegfahrten und Abstellfächen nach § 12 Abs. 2 PBV lediglich die grundstücksinternen Anlagen zu verstehen (Skizzen des Baudepartementes, a. a. O., S. 13). Auch wenn diese Erläuterungsskizzen nicht Bestandteil des PBG der PBV sind, haben sie den Charakter von Wegleitungen und liefern massgebende Hinweise für die Ermittlung der Absicht des Verordnungsgebers, die er bei der Schaffung von § 12 Abs. 2 PBV verfolgte. Insofern dürfen nur grundstücksinterne Zuund Wegfahrten bei der Ausnützungszifferberechnung berücksichtigt werden, denn einzig diese Verkehrsflächen bilden Bestandteil der massgeblichen Grundfläche und können baulich ausgenützt werden (vgl. auch Hagmann, Kommentar zur Bauordnung der Stadt Zug, Zürich 1998, S. 61f.; Friedrich/Spühler/Krebs, Bauordnung der Stadt Winterthur, Winterthur 1970, Rz. 11b zu § 23; vgl. auch zu den gesetzlichen Regelungen anderer Kantone etwa PVG 1995 Nr. 24).

Nach dem Gesagten kann eine Wohnstrasse im Sinne von § 12 Abs. 2 PBV nur dann voll angerechnet werden, wenn sie Bestandteil der vermessenen Grundstücksfläche ist. Indessen ist im vorliegenden Fall die Zufahrtsstrasse als eigenes Grundstück Nr. X ausgeschieden worden. Bereits aus diesem Grund sind die Voraussetzungen für eine Anrechnung ihrer Fläche nach § 12 Abs. 2 PBV nicht erfüllt. Dass der private Bebauungsplan Z vom 15. November 1965 festhält, die Erschliessungsstrasse könne in die Ausnützung einbezogen werden (Ziff. I/2), hat im Übrigen aufgrund der zwischenzeitlichen Rechtsänderung - wie auch die Vorinstanz zu Recht festhält - seine Bedeutung verloren. Davon scheint auch der Beschwerdegegner auszugehen, weil er die Zulässigkeit der Ausnützungszifferberechnung auf § 12 Abs. 2 PBV und nicht auf die genannte Bestimmung des privaten Bebauungsplanes stützt. Da er in diesem Punkt nicht weiter insistiert, erübrigen sich Weiterungen hiezu.

cc) Selbst wenn die Zufahrtsstrasse noch nicht als eigene Parzelle ausgeschieden wäre, könnte der Argumentation der Vorinstanz aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden: Der Erwähnung des Begriffs einer «Wohnstrasse» in § 12 Abs. 2 PBV kommt insofern eine besondere Stellung zu, als diese nicht auf die Erschliessung der eigenen Parzelle beschränkt ist. Der konkrete Begriffsinhalt in diesem Kontext kann aber nur mittels Auslegung ergründet werden (zur Auslegung an sich vgl. LGVE 1994 II Nr. 9, Erw. 4b mit weiteren Hinweisen; eingehend Kramer, Juristische Methodenlehre, Bern 1998, S. 42 ff.). Dabei ist in erster Linie auf den Wortlaut abzustellen. Verwendet der Gesetzoder Verordnungsgeber juristische Ausdrücke, ist grundsätzlich auf ihren fachspezifischen Sinn abzustellen (Kramer, a. a. O., S. 63). Der Begriff einer Wohnstrasse findet sich in Art. 43 der Signalisationsverordnung (SSV; SR 741.21). Gemäss dieser Bestimmung, welche am 1. Januar 1980 in Kraft trat (AS 1979 S. 1977 und 2015) und am 1. Mai 1989 nur unwesentlich geändert wurde (AS 1989 S. 442), kennzeichnet das Signal «Wohnstrasse» besonders hergerichtete Verkehrsflächen, die in erster Linie für Fussgänger bestimmt sind und wo spezielle Verkehrsregeln wie eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h die erlaubte Benützung der Verkehrsfläche für Spiel und Sport gelten. Gemäss Art. 43 Abs. 3 SSV erlässt das Eidgenössische Justizund Polizeidepartement Weisungen über die Ausgestaltung und Signalisation von Wohnstrassen. Diese ergingen am 1. Mai 1984, mithin vor Erlass der PBV am 1. Januar 1990, und entsprechen im Wesentlichen der Praxis des Bundesamtes für Polizeiwesen, welches hiefür seit Inkrafttreten der SSV zuständig war (vgl. dazu VPB 49 [1985] Nr. 30 S. 173). Insofern wird der Begriff der Wohnstrasse durch das Bundesrecht bestimmt. Es sind keine Anzeichen ersichtlich, die darauf schliessen liessen, dass bei Erlass von § 12 Abs. 2 PBV ein Begriffsinhalt einer Wohnstrasse zu Grunde gelegt worden wäre, der von diesen bundesrechtlichen Vorgaben abwiche. Deshalb ist bei der Auslegung von § 12 Abs. 2 PBV vom Begriff einer Wohnstrasse im bundesrechtlichen Sinne auszugehen, an welchen in den Weisungen des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartementes bestimmte formelle und materielle Anforderungen gestellt werden.

Die fragliche Zufahrtsstrasse ist unbestrittenermassen nicht als Wohnstrasse signalisiert. Folglich kommen die besonderen Verkehrsregeln nach Art. 43 SSV auf dieser Strasse nicht zur Anwendung. Damit kann sie von den Bewohnern, insbesondere den Kindern, nicht frei im Sinne einer Wohnumgebung genutzt werden, weshalb sie nicht unter § 12 Abs. 2 PBV subsumiert werden kann. Im Übrigen genügt sie offenbar auch den materiellen Anforderungen einer Wohnstrasse im Sinne von Art. 43 SSV und den hiezu erlassenen Weisungen nicht. Die Vorinstanz begründete die Qualifikation als Wohnstrasse lediglich damit, dass es sich um eine «Privatstrasse (Sackgasse) ohne Durchgangsverkehr» handle, welche einzig der Erschliessung des Quartiers diene. Die Erschliessungsfunktion mit überwiegendem Zielund Quellverkehr stellt indessen nur eines von vielen Kriterien dar, welche eine Wohnstrasse zu erfüllen hat. Deshalb darf nicht ausschliesslich auf den Aspekt des Verkehrsaufkommens abgestellt werden, zumal die Anordnung einer Wohnstrasse auch dann zulässig ist, wenn eine Strasse mit Durchgangsverkehr belastet ist (VPB 54 [1990] Nr. 8 S. 41 ff.). Sodann wird nach den Weisungen des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartementes verlangt, dass die Verkehrsfläche vorwiegend auf einer Ebene liegt. Ausdrücklich wird erwähnt, dass keine Trottoirs vorhanden sein dürfen (Ziff. 3.2). Die fragliche Zufahrtsstrasse weist aber, wie aus den Plänen ersichtlich ist, solche Trottoirflächen auf.

c) Im Lichte dieser Ausführungen fällt die parzellenübergreifende Erschliessungsstrasse nicht unter § 12 Abs. 2 PBV. (...)
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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